MOSAIK-Rückblick: Konsortialführer Prof. Andreas Harth von Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Interview

Nachdem sich zu Projektbeginn alle Projektpartner in unserer Blogserie “Die MOSAIK-Partner” vorgestellt haben, lassen wir das MOSAIK-Konsortium nun auf drei Projektjahre zurückblicken.

Den Anfang macht Konsortialführer Prof. Andreas Harth von Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) verbindet wissenschaftliche Vielfalt und ein einzigartiges Fächerspektrum mit zahlreichen Kontakten zur Wirtschaft und zu außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die FAU gilt als eine der innovativsten Universitäten Europas. Am neu gegründeten Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Technische Informationssysteme werden unter der Leitung von Prof. Andreas Harth Methoden zur semantischen Wissensrepräsentation und Informationsintegration, zur Interoperation in serviceorientierten Architekturen sowie zur Koordination in dezentralisierten Systemen erforscht.


Prof. Dr. Andreas Harth (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Herr Prof. Harth, Sie sind Konsortialführer des MOSAIK-Projekts und mit Ihrem Team in vielen Arbeitspakete involviert. Zum Beispiel sind Sie im zweiten Arbeitspaket “Vereinheitlichte Technologiestruktur basierend auf der Aktualisierung der Erkenntnisse zum Stand der Technik” für viele Themen verantwortlich wie “Wissensrepräsentation und Prozessmodellierungssprachen” (AP 2.1), “Spezifikation Kommunikation und Umgebung” (AP 2.2) und “Aufbau Katalog Szenarien Selbstorganisation” (AP 2.3). Wie bauen diese Themen aufeinander auf und welche Bedeutung haben sie für das Gesamtprojekt?

Insgesamt hat das zweite Arbeitspaket für uns die Grundlage zum weiteren Vorgehen geschaffen. Wir müssen uns natürlich erst einmal am allgemein gültigen Stand der Technik orientieren, um darauf dann in MOSAIK aufbauen zu können, damit wir die Vision eines selbstorganisierenden Systems ohne zentrale Steuerung umsetzen können. Ein Beispiel hierfür sind die heutigen Technologien, welche bereits im Web verwendet werden. Diese sind von Natur dazu geeignet Selbstorganisation und Sitgmergie zu unterstützen und können daher als Ausgangspunkt dienen. Stellen Sie sich etwa Wikipedia vor: Hier wird in einer Art Stigmergie kommuniziert. Diskussionen finden indirekt zwischen einzelnen Beitragenden statt, indem Artikel editiert werden. Diese Änderungen bilden dann die Grundlage für Diskussionen und den weiteren Aufbau der Artikel. Ähnlich machen wir das auch, zum Beispiel wird in einem unserer Anwendungsfälle eine Industrieanlage mittels Stigmergie gesteuert. Die einzelnen Anlagen sind über das Web miteinander verknüpft und werden dezentral von einer Software darüber angesprochen. Der eigentliche Austausch der Informationen erfolgt allerdings indirekt. Vor allem in AP 2.1 haben wir uns intensiv damit beschäftigt, wie man das Verhalten von Anlagen, Maschinen und anderen Akteuren im Rahmen einer semantischen Wissensrepräsentation konsistent beschreiben kann. Hierdurch geben wir den einzelnen Bestandteilen die Möglichkeit zu verstehen, wie sie sich gegenseitig ansprechen und miteinander kooperieren können – ohne, dass es diesen Bestandteilen vorher bekannt gemacht werden muss!

Auch im vierten Arbeitspaket “Entwicklung Laufzeit- und Simulationsumgebung” sind Sie stark vertreten und kümmern sich um Themen wie “Umsetzung der hierarchischen Systeminfrastruktur – Kommunikationsinfrastruktur” (AP 4.1), “Umsetzung der Laufzeitumgebung V1” (AP 4.2), “Lasttests Laufzeitumgebung” (AP 4.3) und “Umsetzung der Laufzeitumgebung V2” (AP 4.4). Wie sah Ihr Vorgehen hier aus, um eine Laufzeit- und Simulationsumgebung zu entwickeln?

Wir verfolgen während des Projekts einen sogenannten Bottom-Up-Ansatz, was bedeutet, dass wir von einfachen, bereits bestehenden Technologien ausgehen wollen und diese Schritt für Schritt zu erweitern. In MOSAIK wollen wir konkret Technologien des Semantic Web nutzen und erweitern um z. B. Maschinen damit anzusprechen und zu steuern.

Dafür brauchen wir neben einer gemeinsamen Sprache (und deren Bedeutung im Sinne einer Semantik) mit den Maschinen auch klar definierte Schnittstellen. Wir halten uns beim Design dieser Schnittstellen an die Beschränkungen von Representational State Transfer (REST) – ein anerkanntes Paradigma für verteilte Softwaresysteme, wie z. B. das Web eines darstellt.

Für die verteilte Steuerungslogik der Maschinen bauen wir auf logischen Sprachen auf, so dass automatisiert gezogene Schlussfolgerungen verwendet werden können, um Steuerungsentscheidungen zu treffen.

Die Gesamtheit aus logischen Regeln für die Steuerung, Software, die diese Regeln ausführt und anzusprechende Maschinen mit ihren Schnittstellen bildet somit unsere Laufzeitumgebung. Besonders wichtig war uns bei der Entwicklung der Laufzeitumgebung, dass dies iterativ und in Kooperation mit unseren Partnern geschieht.

Da wir nicht immer reale physische Maschinen zum Testen zur Verfügung haben, haben wir gemeinsam einen Simulationsumgebung entwickelt, die als reaktives Gegenstück zu unserer verteilten Steuerung dient. Hierdurch konnten wir testen, ob und wie sich unser Vorgehen in die richtige Richtung entwickelt.

Neben vielen technischen Aufgaben waren Sie zudem auch für Themen wie die “Verbreitung Laufzeitumgebung” (AP 6.2) und das “Projektmanagement” (AP 7) zuständig. Gab es hier besondere Herausforderungen bei einem Projekt dieser Größe und im Kontext der Pandemie?

Ja, die Pandemie stellt natürlich eine besondere Herausforderung für das gesamte Projekt dar. Durch das Ausfallen von vielen Live-Events und Messen, war der Outreach an die potenziellen Anwender in Industrie und im akademischen Bereich stark beeinträchtigt. Wir besuchen jedoch in diesem Jahr die wiedereröffneten Messen und Konferenzen, um dort Präsenz zu zeigen und unsere Ergebnisse im professionellen Rahmen zu präsentieren. Im Jahr 2022 sind das beispielsweise die Extended Semantic Web Conference als hochkarätige Veranstaltung für semantische Technologien, oder die Hannover Messe als eines der Schlaglichter der Industriemessen in ganz Europa. Aber auch im Team selbst gab es Herausforderungen: die gemeinsame Abstimmung und das Miteinander ist einfach schwieriger, wenn ausschließlich über Videokonferenzen kommuniziert werden muss. Wir haben aktiv versucht, diesem Problem der Distanz entgegen zu treten, indem wir unsere online Statusmeetings mit einer sozialen Komponenten verknüpft haben etwa einem gemeinsamen Escape Room. Zwischenzeitlich hat sich die Situation aber wieder verbessert, so dass wir auch wieder vor Ort in direkten Kontakt miteinander treten können.

In unserem ersten Interview sagten Sie “Unser übergreifendes Forschungsthema betrifft Datenintegration. Also die Frage: Wie bekomme ich Daten aus unterschiedlichen Systemen so miteinander verbunden, dass diese Daten automatisiert integriert und abgefragt werden können?” Welche Erkenntnisse, Impulse oder Methoden nehmen Sie und Ihr Team aus dem MOSAIK Projekt mit, die Ihnen für Ihre weitere Forschungsarbeit nützlich sind? 

Datenintegration bleibt nach wie vor eine große Herausforderung für jegliche Art von Informationssystemen – dies haben wir insbesondere im Projekt wieder gemerkt. Wir haben jedoch auch gesehen, dass die Technologien des Semantic Web durchaus geeignet sind, um Daten – und auch das Verständnis der Daten – aus mehreren Quellen zu integrieren.

Eine der großen Stärken von semantischen Technologien ist hierbei, dass grundsätzlich jeder Partner seine eigenen Vorstellungen über die Bedeutung der Daten beibehalten und mitbringen kann, und dass durch Übersetzungen und Mappings zwischen den Daten ein einheitliches Verständnis hergestellt werden kann. Hier wird insbesondere deutlich, dass unser Bottom-Up-Ansatz die Kooperation zwischen den Partnern deutlich fördert, ohne dass jemand seine eigenen Definitionen und Überzeugungen verlieren muss.

Welche Eindrücke oder Learnings nehmen Sie persönlich aus dem Projekt mit?

Der Community, die mit dem Semantic Web arbeitet und dazu forscht, war schon lange klar, dass es im Semantic Web auch interaktive Elemente braucht, welche nicht nur Konsumenten von Daten sind, sondern auch proaktiv Dinge damit tun können, um wirklichen Nutzen zu bringen (im Kontext von MOSAIK könnte das  z. B. das Steuern einer Maschine sein). Jedoch wurden diese interaktiven Elemente nie wirklich umgesetzt.

In unserem Projekt konnten wir aber nun deutlich zeigen, dass ein elementare Bestandteil zum Bau dieser proaktiven Elemente die Definition von formale Beschreibung von Verhalten und Prozessen sein muss. Deswegen wird die Untersuchung dieser Beschreibungen von Prozessen weiterhin im Interesse unserer zukünftigen Forschung stehen, da das volle Potenzial des Semantic Webs noch nicht ausgeschöpft ist.

[Titelbild: FAU/Erich Malter]